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Biografie

Anfang der 1970er-Jahre verfasste Claus Gatterer folgendes Curriculum Vitae:

Geboren am 27. März 1924 in Sexten (Pustertal, Südtirol) als Sohn des Nikolaus Gatterer und der Maria geb. Villgrater. Italienische Volksschule in Sexten. Mittelschule (Gymnasium und Lyzeum) am fürstbischöflichen Knabenseminar „Vinzentinum“ in Brixen mit den entsprechenden Staatsprüfungen. Im Juni 1943 klassische Matura am fürstbischöflichen „Vinzentinum“ und am staatlichen Lyzeum in Brixen. Im Oktober 1943 Inskription an der Universität Padua (Inskriptionsnummer 116/28 Facoltà lettere e filosofia). Universitätsstudium aus wirtschaftlichen Gründen nicht abgeschlossen, aber autodidaktische Weiterbildung vor allem auf den Gebieten der Geschichte und der Soziologie.
Nach Kriegsende journalistische Tätigkeit in Bozen. Pressearbeit für die „Südtiroler Volkspartei“ sowohl in der Parteileitung als auch in den Südtiroler Zeitungen „Dolomiten“ und „Volksbote“ (SVP-Parteiorgan). 1946 Mitbegründer des „Südtiroler Künstlerbundes“.

1948 Übersiedlung nach Innsbruck und Redakteur der Tageszeitung „Tiroler Nachrichten“. Ab Herbst 1948 ständiger Korrespondent für Tirol der „Salzburger Nachrichten“. Ab 1950 (immer noch als Redakteur der „Tiroler Nachrichten“ in Innsbruck wirkend) auch ständiger Korrespondent der „Salzburger Nachrichten“ für Italien. Zu diesem Zweck wiederholte Reisen und längere Aufenthalte in Italien, vornehmlich in Rom und in Mailand. Ab 1952 Italien-Korrespondenz auch für den Münchner Merkur. 1953 Übersiedlung nach Salzburg und außenpolitischer Redakteur bei den „Salzburger Nachrichten“. Ab 1955 ständiger Mitarbeiter der von Friedrich Torberg, Felix Hubalek, Alexander Lernet-Holenia und Friedrich Abendroth redigierten kulturpolitischen Zeitschrift FORVM, Wien.

Am 13. Juni 1956 österreichische Staatsbürgerschaft (Verleihungsurkunde der Salzburger Landesregierung von 12.6.1956, Zahl 607/56). Zuvor italienische Staatsbürgerschaft, da die Familie 1939 im Rahmen der durch das deutsch-italienische Optionsabkommen gebotenen Möglichkeiten für Italien optiert hatte.

Ab Jänner 1957 in Wien. Zunächst Redakteur (nominell „stellvertretender Chefredakteur) der Zeitschrift FORVM). 1958 stellvertretender Chefredakteur der Tageszeitung „Express“; 1960 kurzfristig Chefredakteur des „Express“. 1961 aus freien Stücken Übersiedlung zu „Die Presse“ als Ressortleiter für Außenpolitik. In dieser Funktion tätig bis zum freiwilligen Ausscheiden im Juni 1967. In dieser Zeit mehr oder minder ständige Mitarbeit bei den folgenden Zeitschriften: FORVM, Wien („Glossen zur Zeit“; mehrere Jahre hindurch Mitherausgeber des FORVMs bzw. nach Friedrich Torbergs Abgang des Neuen FORVMs), „Die Zeit“, Hamburg, „Die Tribüne“, Frankfurt, „Die Zukunft“, Wien, „Die Furche“, Wien, „Corrispondenza Socialista“, Mailand, „Il Mondo“, Florenz u. a. Teilnehmer an internationalen Symposien, unter anderem an den Politischen Tagungen der „Evangelischen Akademie“ Berlin (West).

Seit 1967 – mit Ausnahme eines mehrmonatigen Intermezzos bei den Zeitschriften „Profil“ und „Trend“ (Wien) – als freier Schriftsteller tätig. Ständiger außenpolitischer Kommentator des Österreichischen Rundfunks.

Bücher:         
„Unter seinem Galgen stand Österreich – Cesare Battisti, Portrait eines ‚Hochverräters‘“, Wien 1967.
„Im Kampf gegen Rom, Bürger, Minderheiten und Autonomien in Italien“, Wien 1968.
„Schöne Welt, böse Leut – Kindheit in Südtirol“, Wien 1969.
„Erbfeindschaft, Österreich-Italien“, Wien 1971.

Außerdem Verfasser der Informationsbroschüren des Bundesministeriums für Auswärtige Angelegenheiten über Südtirol für die Generalversammlungen der Vereinten Nationen 1961 und 1962.

Fernsehfilme:    
„Menschen und Verträge – 50 Jahre nach Saint Germain“, Wien 1969.
„Das Paket“. Eine Dokumentation über das Südtirol-Paket. Wien 1970.
„Alte Erde, neue Menschheit – Die Welt 25 Jahre nach Hitler und Hiroshima“, Wien 1970.

Übersetzungen historischer, philosophischer und belletristischer Werke (u.a. Pater Giulio Girardi und Angelo Tasca).

Preise:
„Dr. Karl Renner-Preis für Publizistik“ 1967.
Zwei Förderungspreise des Theodor Körner-Stiftungsfonds;
Fernsehpreis der österreichischen Volksbildung 1969 (für den Film „Menschen und Verträge“).

Aufgrund der oben angeführten Arbeiten verlieh mir der Herr Bundespräsident mit 1. Juli 1970 den Titel Professor.

Meine Bücher, Filme und Rundfunksendungen („Erbfeindschaft“) wurden sowohl in Österreich als auch in Italien durchwegs sehr positiv aufgenommen, unter anderem wertete man sie in beiden Ländern als Beiträge zur Erarbeitung eines neuen Nachbarschafts-Bewusstseins. Italiensiche Verlage planen die Übersetzung einzelner Werke. Dank meiner journalistischen und schriftstellerischen Tätigkeit konnte ich mir in allen Kreisen der italienischen Gesellschaft Kontakte und Freunde schaffen. Viele bekannte italienische Journalisten kenne ich von der gemeinsamen Arbeit bei internationalen Konferenzen in Genf, Paris, Zürich und Wien. Mit den Chefredakteuren bzw. mit leitenden Redakteuren der größten italienischen Blätter („Corriere della Sera“, „La Stampa“, „Il giorno“, „La Nazione“, „Il messaggero“) bin ich seit Jahren eng befreundet oder gut bekannt. Ich unterhalte enge Beziehungen zu einer Reihe von Verlagen (La Nuova Italia, Laterza, Mondadori, Longanesi, Einaudi, Il Saggiatore, Feltrinelli) und zu Schriftstellern. Meine wissenschaftlichen Arbeiten brachten mich mit hervorragenden Historikern in persönlichen und brieflichen Kontakt. Darüber hinaus konnte ich mir im Lauf der Jahre unter den italienischen Politikern und Parlamentariern viele Freunde schaffen.

Seit August 1958 lebe ich in Wien XIX, Poschgasse 24/12/23.
Seit 5. Juli 1956 bin ich verheiratet mit Margit geb. Friedrich, Tochter des Adolf Friedrich, Major a. D. und Amtssekretär des Bundeskanzleramtes a. D.

Gatterers selbst verfasster Lebenslauf endet im Jahr 1971. Seine weitere Stationen: Von 1972 bis 1984 war Claus Gatterer für den Österreichischen Rundfunk tätig. Dort gestaltete er zeitkritische und zeitgeschichtliche Fernseh-Dokumentationen und war ab 1974 zehn Jahre lang Leiter des TV-Magazins „teleobjektiv“, das mit einer gesellschafts- und sozialkritischen Hintergrundberichterstattung regelmäßig Missstände aufdeckte und sich als Sprachrohr der Schwachen der Gesellschaft verstand. ORF-interne und öffentliche Kontroversen führten 1984 zur Einstellung der Sendung. Claus Gatterer starb am 28. Juni 1984 an einer Krebserkrankung. 1985 wurde der Prof.-Claus-Gatterer-Preis ins Leben gerufen, der mittlerweile jährlich verliehen wird.

Weitere Preise:
Dr.-Karl-Renner-Publizistikpreis (zusammen mit seinem „teleobjektiv“-Team), 1975
Preis der Stadt Wien für Publizistik, 1976
Preis der Südtiroler Presse zur Aussöhnung von Volksgruppen, 1980
Dr.-Karl-Renner-Publizistikpreis für sein Lebenswerk, 1984 (postum)
Publizistikpreis des Slowenischen Zentrums in Wien, 1984 (postum)